Auswandern nach Norwegen – 12 Jahre später – ein persönlicher Rückblick

Nun ist das Jahr auch schon wieder vorbei. Dieses Mal ist es besonders schnell vergangen, wie ich finde. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass es unser erstes komplettes Jahr mit Schulkind war. Umso wichtiger, mal wieder inne zu halten und über das Leben nachzudenken. 

Winterlandschaft in Trondheim, 7.12.2023

Ich erinnere mich zum Jahresende oft an unser erstes Silvester hier in Norwegen. Es war 2011, ich war 27 Jahre jung und mein Mann und ich waren noch nicht mal 6 Wochen in diesem Land. Alles war so neu und aufregend und die Zukunft war offen. Am Silvesterabend machten wir einen Spaziergang und bestaunten die Schneelandschaft, die nun unser neues Zuhause sein sollte. An einem Hügel in der Nähe unserer Wohnung fanden wir eine Matratze und konnten nicht widerstehen. Die Norweger rutschten also gern auf Matten die Schneehügel hinunter, diese hier war langsam und wir glitten ganz sachte im Schnee während wir die Sterne beobachten konnten. Dann bemerkten wir, wie immer mehr Leute in dieselbe Richtung gingen und wir schlossen uns ihnen an. 

15. Januar 2012 – Unser erster Winter in Norwegen

Die Menschenschlange führte uns an einen Hügel von wo aus wir das Feuerwerk über der Stadt beobachten konnten. Als ich da so stand und die Hand meines Mannes hielt, fühlte ich mich plötzlich ganz klein. Ja, ich wollte dieses Abenteuer und fand es aufregend nicht genau zu wissen, was uns in den kommenden Monaten erwarten würde. Es machte mir aber auch Angst. Ich stand ohne Job da und konnte nur wenige Wörter Norwegisch. Wir lebten in einer möblierten Mietwohnung und hatten nicht mal unser eigenes Bett aus Deutschland mitgebracht. Mein Mann hatte zwar einen Job, aber das Gehalt reichte gerade so zum Leben für uns zwei, größere Ausgaben oder ein Besuch in der alten Heimat war nicht drin. 

Neujahrspaziergang am 1.01.2012
Aussicht aus unserer Mietwohnung am 1.04.2012

So wünschte ich mir in dieser Nacht von ganzem Herzen, dass wir es schaffen würden uns etwas aufzubauen. Dass wir irgendwann eine eigene kleine Familie gründen könnten und auch ein unbeschwerteres Leben haben könnten, wie die meisten Norweger es zu haben schienen. Für uns jedoch schien das damals alles in sehr weiter Ferne. 

Es folgten schwierige Monate für mich, in denen ich immer wieder an der Richtigkeit unserer Auswanderung zweifelte. Ich musste immer wieder meine Ängste und Unsicherheiten überwinden, sowohl beim Erlernen und Anwenden der neuen Sprache, als auch bei der Jobsuche und dann im Arbeitsalltag. Dabei musste ich immer wieder meine Erwartungen anpassen und herunterschrauben. Als ich nach acht Monaten endlich einen Job bekam, war ich überglücklich, auch wenn  es nur eine befristete Vertretungsstelle war. Diese Anstellung wurde dann immer wieder verlängert, bis ich nach etwas über einem Jahren dann schließlich eine feste Stelle bekam. Endlich kam etwas Leichtigkeit zurück und die Zweifel an unserer Entscheidung wurden immer leiser. Ich fühlte mich ein Stück weit mehr angekommen. 

April 2012 – Unser erster Frühling mit viel Schnee in Norwegen

Nach drei Jahren mussten wir dann aus der möblierten Mietwohnung ausziehen und stellen uns erstmals die Frage, ob wir den Schritt zu einer Eigentumswohnung wagen wollten. Was anfangs unerreichbar bar, wurde nun zu einer realistischen Option. Wir hatten beide nun drei Jahre in Vollzeit gearbeitet und dabei so gut es ging gespart und hatten damit das Eigenkapital für eine kleine Wohnung zusammen bekommen. 

Das Wohngebiet, in dem wir im Mai 2015 eine Wohnung kauften

Wir wagten also den Schritt und kauften im Mai 2015 eine kleine Eigentumswohnung für uns zwei. Ich weiß noch, wie aufgeregt ich war bei der Unterzeichnung des Kaufvertrages. Wir hatten den gesamten Prozess auf norwegisch durch geführt und ich befürchtete, nicht alle gesetzlichen Einzelheiten zu verstehen. Zum Glück war die Wohnung aber relativ neu und das Risiko damit nicht so groß. Nach dem Einzug fühlten wir uns wieder ein Stück weit mehr in Norwegen angekommen. Endlich kauften wir unsere eigenen Möbel und richteten unsere Wohnung nach unseren Vorstellungen ein. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich nicht mehr an einen Rückzug nach Deutschland. 

Kurz nach unserem Einzug wuchs in mir der Wunsch nach einer kleinen Familie. Ein Wunsch, den ich seit Jahren immer wieder aufgrund finanzieller und gesundheitlicher Unsicherheiten beiseite geschoben hatte, der nun aber immer lauter wurde. Im November 2016 begrüßten wir nach einer anstrengenden Schwangerschaft unser erstes kleines Wunder und für meinen Mann und mich begann die aufregende Reise der Elternschaft. Kurz darauf wurde uns klar, dass wir mit einem Säugling nicht mehr im 4. Stock ohne Aufzug leben wollten. Viel zu oft war ich allein zu hause mit dem Baby kam nicht raus, weil die Treppen vereist waren. 

Schwanger am Fjord im Sommer 2016

Also taten wir den nächsten logischen Schritt und machten uns auf die Suche nach einem Reihenhaus für unsere kleine Familie, ein Schritt, der uns zwei Jahre zuvor noch zu viel Angst gemacht hatte. Gleichzeitig hatten wir alle Hände voll zu tun mit dem Verkauf unserer Wohnung. 

Als unsere kleine Tochter 10 Monate alt war bezogen wir ein kleines gemütliches Reihenhaus. Ich war sehr glücklich, endlich war der Alltag mit Baby etwas einfacher, denn ich konnte das schlafende Baby nach einem Spaziergang mit dem Kinderwagen direkt in den Garten oder ins Haus rollen. Das war eine enorme Verbesserung meiner Lebensqualität als Mama und gleichzeitig hatten wir nun einen zum ersten Mal einen kleinen Garten, wie ich es mir schon seit meiner Kindheit gewünscht hatte. 

In den nächsten Wochen beschloss ich trotz Angst meinem Gefühl zu folgen und meinen sicheren Job aufzugeben um mehr Zeit für mein Kind zu haben. Stattdessen begann ich ein Informatikstudium auf norwegisch, das mich wieder ganz neu herausforderte. Schnell musste ich feststellen, dass nicht beides machbar war, ein Studium und gleichzeitig voll für meine Tochter da zu sein und so brach ich das Studium nach einem Jahr wieder ab. Aus einem Projekt für meinen Webentwicklungskurs entstand schließlich die Idee für meinen Blog Fjordliebe, in dem ich über meine Erfahrungen als Auswanderer und meinen Alltag in Norwegen berichten wollte. 

Dann kam das verrückten Jahr 2020 und unser Familienleben wurde noch ein Mal durcheinander gewürfelt. Mein Mann, der zuvor viel zu wenig Zeit zu hause verbrachte, brauchte plötzlich ein Arbeitszimmer und im Spätsommer kam schließlich unser kleiner Junge zur Welt, der unsere Familie komplettierte. Gleichzeitig rückte der Schuleintritt unserer Tochter näher und so begaben wir uns auf die Suche nach einem Einfamilienhaus in der Nähe einer Grundschule, die einen guten Ruf hatte. 

Sommer 2020, die zweite Schwangerschaft

Mit dem Kauf unseren Hauses in Norwegen erfüllten mein Mann und ich uns 10 Jahre nach unserer Auswanderung schließlich einen Kindheitstraum. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht dankbar dafür bin, hier mit meiner kleinen Familie leben zu dürfen. 

Von außen scheint es wahrscheinlich, als wäre ich in einer ziemlich privilegierten Situation und so empfinde ich es heute auch, aber der Weg hierhin war nicht ohne Hürden. Immer wieder gab und gibt es auch bei uns Hindernisse zu überwinden und es gilt durchzuhalten, seine Erwartungen anzupassen und manchmal auch einen anderen Weg zu suchen. Am Ende aber lohnt es sich. Mein Mann und ich sind über die Jahre noch mehr zusammen gewachsen  und dürfen heute unsere beiden größten Errungenschaften, nämlich unsere Kinder in den Armen halten, die in einem sicheren Zuhause aufwachsen können und dafür bin ich sehr dankbar und auch etwas stolz, denn nichts davon ist selbstverständlich. 

Ich wünsche euch allen von Herzen einen guten Rutsch ins Jahr 2024 und hoffe, dass uns und euch ein gesundes und glückliches Jahr bevorsteht. Außerdem möchte ich mich bedanken für eure Unterstützung, eure Kommentare und den respektvollen Austausch auf meinen Kanälen. ❤️

Vi snakkes neste år. 

Stefanie

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