Doktorgrad in Norwegen – Gastbeitrag von Steffi

Hallo liebe Steffi, erstmal vielen Dank, dass du dich bereit erklärt hast, ein Paar Fragen zum Thema Doktorgrad in Norwegen zu beantworten. Könntest du uns zunächst ein bisschen über dich erzählen: was hast du studiert, wo und wie lange lebst du schon in Norwegen? 

Klar! Ich bin 27 Jahre alt und komme ursprünglich aus Mecklenburg-Vorpommern, also war ich schon immer ein stolzes Nordlicht. Ich habe dann damals bis 2017 in Lübeck Psychologie studiert, aber habe schon früh gemerkt, dass es schwierig werden wird, einen Masterplatz in Deutschland zu bekommen. Daraufhin habe ich mich informiert, wo man in Europa am besten auf Englisch studieren kann, und bin schließlich auf Norwegen gekommen. Da wurde ich auch in meinem Master in Childhood Studies (Kindheitswissenschaften) an der NTNU (the Norwegian University of Science and Technology) angenommen wurden und ich bin dann im August 2017 nach Trondheim gezogen. Meine Idee war es eigentlich nie, wirklich auszuwandern – ich war auch vorher noch nie in Norwegen und hatte wirklich keine Idee, was mich erwarten wird.

Wie spannend, dein Norwegenabenteuer hat also auch im schönen Trondheim begonnen, wie erging es dir denn in Norwegen?

An meinem zweiten Tag in Trondheim habe ich meine Familie angerufen und ihnen gesagt, dass ich hierbleiben möchte, ich habe mich noch nie in meinem Leben so wohl gefühlt. Und so war es dann auch. Ich hatte zwei unglaubliche Jahre während meines internationalen Masters, habe Freunde aus aller Welte gefunden und am Ende auch meinen jetzigen Partner kennen gelernt. Bernardo kommt aus Venezuela und hat auch in Trondheim seinen Master gemacht. Beim Salsa haben wir uns kennen (und lieben?) gelernt.

Das klingt toll und was macht ihr heute?

Mittlerweile mache ich meinen Doktor in Pädagogischer Psychologie an der „Arctic University of Norway“ (UiT) in Tromsø, es hat mich also ganz in den Norden verschlagen. Momentan bin ich grade im Austauschsemester in Johannesburg, Südafrika, einmal auf die gegenüberliegende Seite der Welt. Im Dezember geht es aber zurück in den hohen Norden, da wir im Februar unser erstes Kind erwarten. 

Wie bist du darauf gekommen, ein Doktorstudium in Norwegen zu absolvieren? 

Während meines Masters habe ich damals schon viel überlegt, womit ich gerne arbeiten würde. In meinem Bereich habe ich zwei große Möglichkeiten: Ich könnte mit internationalen (oder nationalen) Organisationen arbeiten, die sich für die Rechte von Kindern einsetzen, wie zum Beispiel Save the Children oder UNICEF. Auf der anderen Seite könnte ich in die Forschung gehen und an solchen Projekten und Initiativen forschen. Ich fand damals beides unglaublich spannend und habe mich entschieden, erstmal meinen Doktor zu machen und dann diese Entscheidung zu fällen. Kurz danach wurde an der Uni in Tromsø eine Stelle in Zusammenarbeit mit der Norwegischen Flüchtlingshilfe veröffentlicht, die für mich einfach perfekt war: sie suchten eine Person, die im Libanon an den Erfahrungen von Lehrern und Psychologen forscht, die mit Kindern arbeiten, die traumatische Erfahrungen überlebt haben. Hier wurden meine zwei Möglichkeiten direkt vereinbart und ich habe mich entschlossen, mich zu bewerben. 

Wie lief der Bewerungsprozess ab? War es schwierig, eine Doktorandenstelle zu bekommen? 

Das Doktorstudium ist in Norwegen ein Beruf, kein Studium in dem Sinne. Das bedeutet, dass alle Doktorandenstellen öffentlich ausgeschrieben werden und man sich wie auf einen normalen Beruf bewerben muss. Die meisten Unis in Norwegen veröffentlichen ihre Stellen auf der Website jobbnorge.no. Ich musste damals meinen Lebenslauf, ein Motivationsschreiben und eine kurze Projektbeschreibung einreichen. Dazu muss man in Norwegen normalerweise auch zwei bis drei Referenzen angeben, die dann auch wirklich angerufen werden, um noch eine Bewertung des Bewerbers zu erhalten. An den Unis gibt es dann ein Komitee, das sich zusammensetzt und die Bewerbungen ansieht. Die Anzahl der Bewerber ist komplett von dem Bereich und dem Ort abhängig. In Oslo bewerben sich viel mehr Bewerber als in Tromsø beispielsweise. In meinem Feld gab es damals nur sechs Bewerber. Ich hatte mich im August 2019 beworben und wurde dann im Oktober angerufen und zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Mein Flug nach Tromsø wurde von der Uni bezahlt und so bin ich morgens um 6 Uhr nach Tromsø geflogen, hatte um 13 Uhr mein einstündiges Bewerbungsgespräch und bin am späten Nachmittag zurück nach Trondheim geflogen. Ein unglaublich nervenaufreibender Tag. Danach ging es dann relativ schnell und ich habe Ende November meine Zusage bekommen, habe mich dann um eine Wohnung gekümmert, Arbeitsvertrag unterschrieben und bin Anfang Januar 2020 nach Tromsø gezogen. 

Winter in Tromsø

Grundsätzlich gibt es also gute Möglichkeiten, einen Doktor in Norwegen zu bekommen, besonders, wenn man etwas flexibel mit dem Ort ist. Allerdings gibt es viele Doktorandenstellen, bei denen man eine skandinavische Sprache fließend sprechen können muss. In meinem Fall ist zwar die Forschung im Nahen Osten, aber ich unterrichte auf Norwegisch und daher musste ich Sprachkenntnisse nachweisen. Aber besonders in naturwissenschaftlichen Bereichen oder in Richtung Ingenieurswissenschaften werden viele Doktorandenstellen komplett auf Englisch angeboten. 

Wie sind denn die Arbeitsbedingungen und wie sieht der Alltag eines Doktoranden in Norwegen aus?  

Das Büro an der Universität in Tromsø

Grundsätzlich sind die Arbeitsbedingungen im Doktorgrad sehr gut in Norwegen. Es gibt hier natürlich Unterschiede in den verschiedenen Feldern, aber wir haben die gleiche Rechte wie jeder Angestellte. Wir haben eine 37,5 Stundenwoche und normalerweise 25 Ferientage im Jahr. Der Doktorgrad dauert in Norwegen entweder 3 Jahre (nur der Doktorgrad) oder 4 Jahre (mit 25% Lehre). Ich habe Lehre mit enthalten und unterrichte in zwei Fächern auf Bachelorniveau und betreue Bachelor- und Masterarbeiten als Supervisorin. 

Meinen Alltag kann ich mir normalerweise sehr flexibel selbst einteilen. Ich arbeite oft von 9:30 bis ca. 17 Uhr – manchmal länger oder kürzer, je nachdem, was momentan anfällt. Je nach Forschungsfeld hat man dann spezifische Aufgaben und bekommt dafür auch die Zeit und Mittel zur Verfügung gestellt. So war ich zum Beispiel schon dreimal im Libanon, um meine Daten vor Ort einzusammeln, und in Jordanien zu einem Besuch bei der Norwegischen Flüchtlingshilfe. Für Konferenzen war ich auch schon in Dänemark, auf Madeira und bald fliege ich nach Kapstadt auf meine dritte Konferenz, wo ich meine Forschung präsentiere. 

Natürlich gibt es auch in Norwegen hektische Perioden, aber das liegt ja eher an der Natur des Doktorgrades und weniger am System. Es wird uns Doktoranden auch empfohlen, uns in einer Gewerkschaft zu organisieren. Im Falle von Problemen am Arbeitsplatz können wir uns an unsere Gewerkschaft wenden – und sie verhandeln auch jährlich unser Gehalt für uns. 

Weiterhin motivieren die Unis die „stipendiaten“ (Promovierende auf Norwegisch) für eine Austauschperiode ins Ausland an eine andere Uni zu gehen. Diese Perioden sind meist 3-10 Monate lang und man kann sich für eine finanzielle Unterstützung bewerben, um die Extrakosten zu bezahlen. Toll ist hier, dass Partner und Familie auch unterstützt werden. Dadurch sind mein Freund und ich grade für 6 Monate in Südafrika! Die Flüge, Teile der Unterkunft, die Impfungen und die Visakosten wurden für uns beide von der Uni bezahlt – und für die Zeit hier erhalte ich natürlich trotzdem mein Gehalt in Norwegen. Einige meiner Kollegen haben zum Beispiel ihre ganze Familie mit Kindern mitgenommen, dann unterstützt die Uni auch mit den Schulgebühren etc. 

Wie hoch sind die Gehälter? (Hatte gelesen, dass es gesetzlich auf mind. 490.000 kr pro Jahr fest gelegt wurde) 

Ja, das stimmt. Man kann am Anfang in einem Gespräch sein Gehalt verhandeln, aber die meisten fangen mit ungefähr 500,000 NOK pro Jahr an. Das sind ungefähr 2900€ Netto pro Monat, plus Feriengeld im Sommer und auch ein extra in der Vorweihnachtszeit. Für einen Masterabschluss ist das in Norwegen grundsätzlich eher niedrig im Gehalt, aber in welchem Land bekommt man schon ein richtiges Gehalt während der Promotion? Wenn man alleine ist, kann man von dem Geld definitiv (sehr) gut leben. Als Familie wäre man jedoch schon darauf angewiesen, dass der Partner auch arbeitet. 

Es klingt, also hättest du einen sehr spannenden und abwechslungsreichen Joballtag. Welche Berufsmöglichkeiten hast du denn nach dem Doktorgrad? 

Das hängt wirklich total von dem Bereich ab. In meinem Fall habe ich mich immer noch nicht entschieden, ob ich danach an der Uni bleiben möchte oder in die Forschung mit Organisationen gehen werde. Nur ungefähr 20% der Doktoranden bleiben in der Karriere an der Uni. Man kann sich nach dem Doktor entweder auf eine Post-doc Stelle, oder auf eine Position als Assistenzprofessor bewerben. Außerhalb der Uni öffnet der Doktor sicherlich auch viele Positionen, aber das hängt natürlich von jedem Feld ab. 

Würdest du es grundsätzlich empfehlen, en Doktorstudium in Norwegen zu absolvieren? 

Definitiv! Ich bezweifle, dass man irgendwo anders solche guten Arbeitsbedingungen und Gehalt für seinen Doktor bekommt. In Norwegen sind auch viele Promovierende schon älter, Viele der ganz Jungen sind meist internationale Bewerber aus aller Welt. Viele Norweger machen ihren Doktor in den 30-ern oder 40-ern und haben Familie und Haus. Die Unis sehen die Arbeitserfahrung zuvor als ein Plus und nehmen die Bewerber recht unabhängig vom Lebensmoment. Und wie wir alle wissen, ist Norwegen einfach unglaublich schön und eh super empfehlenswert! 

Du und dein Partner erwartet euer erstes Kind im nächsten Jahr, herzlichen Glückwunsch noch mal an dieser Stelle. 🙂 Wie gut lässt sich deine Arbeit mit Familie vereinbaren?

Vielen lieben Dank! Das lässt sich sehr gut vereinbaren. Ich werde ab Februar für 47 Wochen in die Elternzeit gehen mit 100% Gehalt. Normalerweise teilen beide Elternteile sich die Elternzeit, aber mein Freund arbeitet momentan während unseres Aufenthaltes in Südafrika nicht und hat dadurch leider nicht das Recht auf die Bezahlung während der Elternzeit. In dem Fall werde ich die volle Zeit übernehmen. Nach der Elternzeit ist die Arbeit als Promovierende so flexibel, dass das sehr kindgerecht ist. Viele meiner Kollegen (vom Promovierenden zum Professor) kommen erst gegen 9 Uhr, da die Kinder in den Kindergarten gebracht werden müssen, und fahren um 15 Uhr wieder zum Kindergarten, um den Nachmittag in der Familie zu verbringen. Dann arbeiten sie oft abends von 21 Uhr nochmal weiter – das kann jeder selbst bestimmen. Hauptsache ist, dass die Arbeit fertig wird. Während der Schulferien kann man auch weniger arbeiten und das wieder rausarbeiten. Norwegen ist grundsätzlich sehr familienfreundlich in meinen Augen. 

Wie sieht eure weitere Planung aus, möchtet ihr in Norwegen bleiben? 

Wir sind ja ein sehr internationales Paar, da ist das gar nicht so einfach zu sagen. Grundsätzlich möchten wir gerne in Norwegen bleiben, da wir uns hier beide sehr zu Hause fühlen. Wir haben beide Norwegisch gelernt und haben unser Umfeld in Norwegen gebaut. Aber wir haben Familie in vier verschiedenen Ländern und sind beide sehr offen für neue Abenteuer. Daher – ich denke, man weiß nie, wo man noch landet! Besonders für meine Arbeit wäre ein längerer Auslandsaufenthalt nochmal interessiert. Nach Deutschland werden wir eher nicht ziehen – wenn wir nochmal umziehen, eher in ein Land, wo wir beide (und unsere Kinder) schon die Sprache können. 

Ich wünsche dir und deiner Familie auf jeden Fall ganz viel Erflog. 🙂 Gibt es noch etwas, dass du abschließend gern sagen möchtest? 

Ich glaube wirklich, dass ein Doktorstudium in Norwegen eine tolle Möglichkeit bietet. In den drei oder vier Jahren kann man dann Norwegisch lernen und ist wie ich damals fast „ausversehen“ ausgewandert. Es bedarf wenig Planung und wenig (bis kein?) Startkapital, zumindest, wenn man ohne Familie in den Doktor geht. Es ist aber komplett möglich mit Familie und man bekommt durch die Arbeit direkt ein Umfeld in der neuen Stadt. 

Wenn ihr noch mehr über den Doktor in Norwegen oder den Alltag einer Promovierenden dort wissen möchtet, könnt ihr mir gerne auf Instagram folgen (@steffi_onthemove). 

Ganz viel Erfolg für alle, die sich für einen Doktor bewerben möchten!

Vielen lieben Dank für diesen spannenden und informativen Bericht zur Promotion in Norwegen, liebe Steffi. 🙂

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