
Im folgenden Beitrag beschreibe ich meine Erfahrungen während meiner Schwangerschaft und Geburt in Norwegen. Der Text basiert sowohl auf allgemeinen Infos (z.B. der Beschreibung der Schwangerschaftskontrollen) als auch auf meiner persönliche Empfindung und Einstellung zum norwegischen Gesundheitssystem, die nicht von jedem geteilt werden muss.
Unser Kinderwunsch
Im Mai 2015 hatten wir unsere erste eigene Wohnung gekauft (siehe vorletzten Blogpost) und im August war es dann endlich so weit, wir haben die Schlüssel bekommen und der Umzug konnte starten. Endlich konnten wir uns selbst Möbel aussuchen und die Wohnung nach unseren eigenen Vorstellungen einrichten. Bis dato hatten wir ja in einer möblierten Wohnung zur Miete gewohnt, die von einem alleinstehenden Herren vermietet wurde. Es war deshalb ein richtig gutes Gefühl in unsere erste eigene Wohnung zu ziehen und damit noch ein Stück weiter in Norwegen angekommen zu sein.
Ende August waren wir dann auch fertig mit dem Einrichten und begrüßten die ersten Freunde und Bekannten in unserem neuen Heim. Die meisten davon hatten ihre Kinder dabei und es wurde trubelig und laut und sobald sie weg waren, war es ruhig, sehr ruhig, zu ruhig. Also sagte ich meinem Mann, dass ich jetzt bereit wäre eine Familie zu gründen. Als kleine Erinnerung: wir hatten eine Drei-Raum-Wohnung im vierten Stock ohne Aufzug gekauft, da wir ja nur zu zweit waren und noch keine Kinder geplant hatten. Trotzdem dachten wir zu diesem Zeitpunkt noch, dass es kein Problem sein würde mit einem Baby in dieser Wohnung zu leben. Wir hatten ja auch keine Wahl, wir hatten die Wohnung gerade erst gekauft und konnten sie nicht gleich wieder verkaufen.
Der Schwangerschaftstest
Im März 2016 war es dann schließlich so weit, ich habe es sofort gemerkt als ich eines Tages aufwachte und mich wie gerädert und unendlich müde fühlte, obwohl ich gut geschlafen hatte. Außerdem hatte sich meine Haut über Nacht stark verschlechtert, was ich mir nur mit einer Hormonumstellung erklären konnte. Mein Gefühl wurde kurz darauf durch den positiven Schwangerschaftstest bestätigt und damit begann eine neue, aufregende Reise für meinen Mann und mich. Ich wusste nicht wirklich was mich erwartet, weder im Hinblick auf die körperlichen Veränderungen, die mir bevorstanden, noch was die medizinische Versorgung während der Schwangerschaft betraf. Natürlich hatte ich einige Kolleginnen, die vor mir schwanger waren und hatte deshalb immer mal wieder was gehört, z.B., dass man hier einfach zu seinem Hausarzt geht.
Hausarzt statt Gynäkologe
Wenn man in Norwegen schwanger wird, kontaktiert man nämlich, nicht wie in Deutschland den Gynäkologen, sondern seinen Hausarzt (fastlege). Allgemein gilt dabei aber, dass die Schwangerschaft nicht durch den Hausarzt bestätigt werden muss, da die im Handel erwerblichen Tests genau so präzise sind wie die, die Ärzte benutzen. Trotzdem habe ich mich direkt bei meiner Ärztin gemeldet und habe auch zeitnah einen Termin bekommen, bei dem ein Schwangerschaftstest gemacht und Blut abgenommen wurde. Hier wurde auch direkt das örtliche Krankenhaus über meine Schwangerschaft benachrichtigt, welches mir dann einen Termin für den Ultraschall zuteilte. Außerdem wurde über mein allgemeines Befinden gesprochen und die sogenannte helsekort angelegt.
Die helsekort – das norwegische Pendant zum Mutterpass
In Norwegen gibt es keinen Mutterpass, stattdessen werden alle Werte und Bemerkungen zur Schwangerschaft auf der helsekort (zu dt.: Gesundheitskarte) fest gehalten. Die helsekort ist eigentlich nur ein Blatt Papier im Format A4 und sieht dem entsprechend am Ende der Schwangerschaft mehr oder weniger abgenutzt aus.
Die Schwangerschaftskontrollen in Norwegen
Allgemein wird empfohlen, dass die erste Kontrolle zwischen der 6. und 12. Schwangerschaftswoche stattfindet. Die weiteren Kontrollen finden in Woche 18, 24, 28, 32, 36, 38, 40 sowie 41 statt.
In Norwegen wird man während der Schwangerschaft nicht von einem Gynäkologen betreut, stattdessen kann man wählen, ob man für die Kontrollen zu seinem Hausarzt geht oder eine Hebamme in einer helsestasjon (Gesundheitsstation) aufsucht. Beide machen im Großen und Ganzen Dasselbe, die Hebamme hat praktisch aber doch meist etwas mehr Zeit und kann speziellere Fragen zur Schwangerschaft und Geburt beantworten. Außerdem sind die Wartezeiten vor dem Termin meist kürzer, da die Wartezimmer relativ leer sind.
Kosten der Schwangerschaftskontrollen
Die Schwangerschaftskontrollen sind kostenlos in Norwegen, d.h, es entfällt auch der Eigenanteil, den man normalerweise für jeden Arztbesuch zahlen muss. Für den bei meiner Hausärztin durchgeführten Schwangerschaftstest musste ich allerdings 120 kr bezahlen.
Ablauf der einzelnen Schwangerschaftskontrollen
Bei jeder Kontrolle muss eine Urinprobe abgegeben werden, es wird der Blutdruck gemessen, das Gewicht erfasst und ab einem bestimmten Zeitpunkt der Herzschlag des Babies abgehört sowie die Fundusgröße, also die Länge des Bauches von oben bis unten abgemessen. Die Werte werden in der helsekort notiert. Die Hebamme und Hausärzte machen zu keinem Zeitpunkt während der Schwangerschaft einen Ultraschall oder eine gynäkologische Untersuchung. IdR wird erst im Krankenhaus, wenn die Geburt unmittelbar bevorsteht, wird die erste gynäkologische Untersuchung vorgenommen, nämlich um festzustellen wie weit der Muttermund geöffnet ist und selbst dafür haben sich die Hebammen bei mir entschuldigt.
Der Ultraschall in Woche 18
Die Kontrolle in Woche 18 ist etwas Besonderes, denn sie findet nicht beim Hausarzt oder der Hebamme, sondern im Krankenhaus statt. Hier findet der große und einzige planmäßige Ultraschall und das Organscreening während der Schwangerschaft statt. Außerdem soll durch den Ultraschall der Entbindungstermin bestimmt werden. Ab hier gelten nämlich nicht mehr die ausgerechneten Daten auf Grundlage der letzten Menstruation oder des angenommenen Eisprungs, sondern allein die Maße des Babys zum Zeitpunkt des Ultraschalls. Der Entbindungstermin wird in Norwegen auf 40 Wochen plus 3 Tage fest gelegt.
Hier erfährt man dann theoretisch auch erst, wie viele Kinder man eigentlich erwartet. Praktisch ist es allerdings so, dass viele Frauen bereits vorher zu einem Ultraschall gehen, den sie dann selbst bezahlen müssen, falls kein besonderer medizinischer Grund dafür vorliegt. Zumindest haben das alle meine Freunde und Bekannten so gemacht, mit denen ich mich darüber ausgetauscht habe.
Auch mein Mann und ich waren uns einig, dass wir nicht bis zur 18. Schwangerschaftswoche warten wollten und haben uns deshalb für einen sogenannten „frühen Ultraschall“ entschieden. Da ich zu Anfang meiner ersten Schwangerschaft allerdings häufig ein Ziehen in der Leistengegend bemerkte, teilte ich dies meiner Hausärztin mit, die mich dann zur Socherheit zu einem Ultraschall überwies. Dieser wurde bei einer Fruchtbarkeitsklinik durchgeführt, wo ich nur den Eigenanteil bezahlen musste. Außerdem wurde beim regulären Ultraschall in der 18. Woche der Verdacht geäußert, dass das Baby nicht genügend wachsen könnte, weshalb ein weiterer Ultraschall in der 32. Woche im Krankenhaus stattfand. Ich bekam also insgesamt drei Ultraschalle, für die ich nicht selbst bezahlen musste.
In meiner zweiten Schwangerschaft hatte ich zwar wieder dieses Ziehen in der Leistengegend, da ich es aber schon aus der ersten Schwangerschaft kannte, hatten meine Hausärztin und ich keine Bedenken. Trotzdem entschied ich mich wieder einen frühen Ultraschall in der Fruchtbarkeitsklinik durchführen zu lassen, den ich dieses Mal selbst bezahlte. Warum Fruchtbarkeitsklinik? Es gibt gar nicht so viele Ärzte, die einen Ultraschhall anbieten. Manchmal frage ich mich, wie die Gynäkologen in Norwegen eigentlich überleben, aber das ist eine andere Geschichte, auf die ich vielleicht noch mal in einem anderen Post eingehen werde. Darüber hinaus überkam mich in der zweiten Schwangerschaft aufgrund anhaltender starker Übelkeit in der 24. Woche eine große Unsicherheit, weshalb ich mich zu einem weiteren privaten Ultraschall entschied. Dieses Mal sagte mir die Fruchtbarkeitsklinik, dass sie nur Ultraschalls im ersten Trimester anbieten würde, ich fand darauf hin eine private Hebamme, die Ultraschalls anbot.
Im Krankenhaus wird der standardmäßige Ultraschall übrigens auch von einer Hebamme durchgeführt, einen Gynäkologen habe ich während der gesamten Schwangerschaft nicht gesehen.
Der Zuckertest
In Woche 24 findet ein Zuckerbelastungstest beim Hausarzt statt. Bei diesem Test muss man zunächst nüchtern zum Hausarzt gehen, bekommt Blut abgenommen und muss eine Zuckerlösung trinken. Nach einer Stunde Warten wird erneut ein Bluttest durchgeführt. Von Freunden habe ich mir sagen lassen, dass dieser umfangreiche Test in Deutschland erst gemacht wird, wenn der einfache Bluttest auffällig ist.
Der Gentest
Wenn man zum Entbindungstermin über 38 Jahre alt ist, hat man zusätzlich das Recht auf einen Gentest. Ist man jünger, so hat man kein Recht darauf und kann diesen auch nicht auf eigene Rechnung durchführen lassen. Wir hatten daher keinen Gentest während der Schwangerschaften.
Die Geburt
Als der ET näher rückte, war ich gespannt, wie es wohl los gehen würde. Ich fieberte einerseits dem Tag entgegen und hatte gleichzeitig Angst davor. Aus Filmen kennt man es ja, dass die Fruchtblase gern mal mitten im Supermarkt platzt.
Hier bei uns lautet die Regel, wenn man Wehen bekommt oder Fruchtwasser verliert, soll man direkt im Krankenhaus anrufen und bekommt weitere Informationen. Mein Hebamme sagte mir, dass man hier idR selbst ins Krankenhaus fährt, selbst wenn die Fruchtblase geplatzt sein sollte.
Bei mir ging es dann aber doch ganz normal mit Wehen am Abend los. Allerdings kamen diese nicht, wie ich gelesen hatte, in großen Abständen von ca. 20 Minuten, sondern direkt alle ein bis sechs Minuten. Deshalb riefen wir bereits kurze Zeit nach Einsetzen der Wehen im Krankenhaus an. Dabei wurden wir gefragt in welchem Abstand die Wehen kommen würden. Die Regel lautet wohl in etwa, dass man bei einem Abstand von 5 Minuten ins Krankenhaus fahren sollte. Wir riefen also gleich das Taxi und kamen ca. 2 Stunden nach Einsetzen der Wehen im Krankenhaus an. Die Babysachen hatten wir allerdings zu hause gelassen, da ich sowohl gelesen als auch von Freunden gehört hatte, dass man beim ersten Kind gern noch mal nach Hause geschickt wird, weil die Geburt noch nicht richtig in Gange ist.
Als wir im Krankenhaus ankamen, wurde direkt ein CTG gemacht und der Muttermund untersucht. Dies war das erste und einzige CTG während der Schwangerschaft. Wir hatten Glück, denn die Wehen kamen regelmäßig und der Muttermund war bereits 4 cm geöffnet und deshalb durften wir im Krankenhaus bleiben. Wir kamen direkt in einen Kreißsaal, der hier in Norwegen als fødestue (dt.: Geburtsstube) bezeichnet wird. In dieser Geburtsstube befand sich neben einigen medizinischen Geräten, ein Schreibtisch, ein Bett, eine Sprossenwand und ein großer Ball, außerdem gab es im zugehörigen Badezimmer eine Badewanne, in die man gehen konnte. Die Hebamme, die mich in Empfang genommen hatte, schaute ab und zu nach uns, sonst waren mein Mann und ich in den etsten Stunden allein im Zimmer. Nach ein paar Stunden kam eine andere Hebamme, die ich komischerweise nicht so gut verstehen konnte und ein Hebammenlehrling kam auch mit dazu. Irgendwann verriet mein Mann mir dann, dass ich die neue Hebamme nicht so gut verstand, weil sie Schwedisch mit mir sprach.
Obwohl die Geburt am Anfang so vielversprechend startete, hat es dann doch noch ca. 14 Stunden im Krankenhaus gedauert bis wir unsere Tochter in den Armen halten konnten. Erst zum Ende der Geburt wurde eine Ärztin dazu gerufen, und zwar weil, wie ich erst später erfuhr, eine Zange zum Einsatz kommen sollte. Glücklicherweise war das aber doch nicht nötig und wir konnten kurze Zeit später endlich unsere Tochter begrüßen. Die Babys werden hier direkt der Mama auf die Brust gelwgt und bleiben dort auch mindestens die erste Stunde liegen. Erst danach wird die Größe und das Gewicht des Kindes gemessen. Wir blieben noch einige Zeit im Kreißsaal und bekamen dort auch Essen serviert. Anschließend wurden wir auf die Station gebracht.
Betreuung nach der Geburt
In unserem Krankenhaus unterscheidet man zwischen der Station und dem Patientenhotel. Wenn alles reibungslose läuft, dann kommt man ins Patientenhotel, da ich aber während der Geburt Fieber bekommen hatte, wurden wir auf die Station gebracht. Dort verbringt man idR drei Nächte, so war es auch bei uns. Hier haben wir uns gut versorgt gefühlt, denn Personal war dort sehr hilfsbereit und kompetent. Mein Eibdruck war, dass Stillen in Norwegen sehr unterstützt wird und die Hebammen auf der Station können dafür auch gute Ratschläge geben. Dass mir auch noch ein Film im Krankenhaus vorgespielt wurde, über Säuglingsstationen in den 60er Jahren in Norwegen, als die Babys noch von den Mamas getrennt wurden und damit das Stillen sehr erschwert wurde, fand ich allerdings etwas komisch. Ich hatte sowieso vor zu stillen, brauchte dafür aber wher praktische Ubterstützung als ein Film, der mich von den Vorteilen des Stillens überzeugen sollte. Manchmal meinte das Personal es mit der Betreuung auch etwas zu gut, denn auch nachts stellte sich jede neue Schicht bei uns im Zimmer vor, obwohl wir gerade mal schlafen wollten. Deshalb war es sehr schwer doet zur Ruhe zu kommen und ich war froh, als wir uns nach drei Nächten auf den Weg nach hause machen und dort in Ruhe unser neues Leben als Familie beginnen konnten.
Die Hebamme, zu der ich während meiner Schwangerschaft ging, habe ich übrigens nie wieder gesehen. Nach der Geburt ist die Helsestasjon für die Routineuntersuchungen des Babys zuständig. Sechs Wochen nach der Geburt hat man als Mutter eine Nachuntersuchung bei seinem Hausarzt. Von einem Rückbildungskurs habe ich hier nie etwas gehört.
Insgesamt habe ich mich während der Schwangerschaft zwar nie wirklich unsicher gefühlt, aber manchmal war es mir etwas zu wenig Information und zu wenige Kontrollen und ich hätte mir öfter einen Ansprechpartner gewünscht. Als Schwange oder frisch gebackene Mama hat man ja doch mal Unsicherheiten oder Fragen und hier kann man leider nicht einfach seine Hebamme anrufen und Hausbesuche werden auch nicht gemacht. Im Austausch mit meiner Familie und Freunden in Deutschland habe ich deshalb den Eindruck bekommen, dass die Betreuung hier in Norwegen im Vergleich zu Deutschland weniger umfangreich ist und eher auf das Nötigste reduziert wird.
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